Vom Leselurch, der auszog, den Weihnachtsabend zu retten

Unsere Geschichte beginnt an einem frühen Abend am 24. Dezember in der Nähe des Leinepolders bei Salzderhelden. Tief verborgen im Gras hört man alle paar Minuten ein leises Rascheln, so als würde jemand eine Seite in einem Buch umblättern. Hin und wieder ein kleines Kichern und ab und zu ein O und A. An einen großen Stein gelehnt, hat es sich ein Lurch mit einem Buch bequem gemacht und schmökert genüsslich darin. Wenn ich die Augen zusammenkneife, kann ich vielleicht den Titel erkennen. Ja, jetzt habe ich es „Weihnachten für Dummies“. Das liest also unser Leopold, der immer mit der Nase in einem Buch steckt und zu der seltenen Gattung des Bibliothecarus Lurchus gehört, wie der Einbecker sagt. Allgemein nennt man ihn überall nur Leopold, den Leselurch. Besondere Kennzeichen: listig, lustig, lurchig, fleckig und Ehrenmitglied in der hiesigen Stadtbibliothek.

Leopold ist also tief versunken in seiner Lektüre, als er plötzlich ein lautes stotterndes Pötpöt-Geräusch über sich hört und ein noch lauteres: Oh oh oh! Dann ist es einen kurzen Moment still. Leopold und ich schauen in den Himmel um herauszufinden, woher diese merkwürdigen Geräusche kommen und sehen gerade noch ein dunkles Dingens, das von einer Wolke goldenem Glitzerstaub umgeben ist und sich sehr schnell Richtung Salzderheldener Talbrücke bewegt. Es sieht fast so aus, als würde dieses Etwas für einen klitzekleinen Moment in der Luft hängen bleiben, um dann in einem Affenzahn nach unten zu sausen. Leopold zieht ein Seitenerinnerungszeichen unter dem Stein hervor, legt es seufzend in sein Buch, klappt es zu und macht sich auf den Weg Richtung Talbrücke.

Solange Leopold unterwegs ist, können wir ja schon einmal schauen, was da so spektakulär vom Himmel gefallen ist. Vielleicht braucht derjenige ja Hilfe. Gut, dass der Leselurch schon unterwegs ist.

Auf der Brücke steht ein knallroter Schlitten mit einer sehr zerbeulten Kufe. Die andere ist komplett abgerissen und liegt auf der Fahrbahn. Glücklicherweise ist gerade niemand mit dem Auto unterwegs. Im Schlitten liegt ein großer brauner Sack und daneben steht ein sehr großer, zerknirscht wirkender Mann, der vor sich hinmurmelt: „Was mach‘ ich bloß? Was mach‘ ich bloß?“

Da taucht auch Leopold wieder auf und stellt sich neben den großen Mann. Beide schauen sich das Dilemma an, bis Leopold am roten Mantel des Mannes zupft und fragt: „Kann ich dir helfen Herr, Herr…?“ Der Mann sieht nach unten und sagt: „Mann, Weihnachtsmann und ich und meine Rentiere stecken gehörig in der Patsche!“ „Herr Weihnachtsmann, ich bin Leopold und habe schon eine Menge über dich und Weihnachten gelesen. Wenn ich mal groß bin, will ich auch Weihnachtsmann, ähm …lurch werden oder Bibiloteka, mal sehen.“ 

„Das würde ich mir an deiner Stelle gut überlegen“.

„Immer arbeiten, wenn andere einen besinnlichen Weihnachtsabend feiern.“

„Und Urlaub haben wir zu Weihnachten nur alle 9 Jahre! Dieses Jahr ist der Rudolph dran“. „Der Weihnachtsmann hat mal wieder vergessen ein Ersatzrentier zu besorgen und jetzt haben wir den Salat!“

„Mhm, Salat. Mit einem leichten Joghurtdressing und einem Hauch von...“.

„Meine Herren!“, man hört ein lautes Räuspern „und Damen.“ Der Weihnachtsmann begibt sich zum Anfang der Rentierherde, die immer noch damit beschäftigt ist, die Situation zu analysieren und zu kommentieren. „Es tut mir sehr leid, aber“ er muss kurz husten, „wir haben ein Problem. Möglicherweise hat jemand“, es richten sich 8 Rentieraugenpaare und 1 Paar Lurchaugen auf den Weihnachtsmann, „eventuell einen Hauch zu wenig Flugstaub eingepackt und das könnte vielleicht erklären, warum…“ 

Die letzten Worte des Weihnachtsmannes gehen in einem ohrenbetäubenden Sirenenlärm unter. Ihnen kommt ein Feuerwehrauto entgegengefahren, das mit viel Getöse an ihnen vorbeirast. Der Sirenenklang wird immer leiser und wird dann wieder lauter, als das Feuerwehrauto rückwärts zurückgefahren kommt und mit quietschenden Reifen neben dem Schlitten anhält. Blaulicht und Sirene verstummen und aus dem Feuerwehrauto springt der Ortsbrandwachtmeister Salim: „Guten Abend. Sie haben ein Problem? Wie kann ich helfen? Hallo Leopold.“ Bevor der Weihnachtsmann antworten kann, zeigt Leopold auf die verbogene Kufe. Salim sagt: „Ich seh‘ schon. Ich seh‘ schon, da liegt also das Rentier im Pfeffer.“ Man hört leises Gemurmel aus der Rentierherde. Salim schnappt sich kurzerhand die zweite Kufe, die immer noch auf der Straße liegt, und lehnt sie an das Brückengeländer. „Ein Unfall reicht für den Heiligen Abend“. Der Weihnachtsmann nickt und sieht ziemlich verloren aus.

Leopold stemmt die Ärmchen in die Hüften und sagt zu den Beiden: „Herr Weihnachtsmann, wenn ich die Lage richtig einschätze, musst du eigentlich heute Abend noch die ganzen Geschenke verteilen, damit die Kinder heute Abend nicht das traurigste Weihnachtsfest aller Zeiten erleben. Da dein Schlitten den Geist aufgegeben hat, weil jemand eventuell einen Hauch zu wenig Flugpulver eingepackt hat, musst du irgendwie in die Stadt kommen und dort nach neuem Flugpulver fragen. Aber mit diesen kaputten Kufen geht das auf keinen Fall.“ Der Weihnachtsmann schaut betreten zu Boden und kratzt sich an seiner Mütze. „Und du, Herr Ortsbrandwachtmeistermann, musstest du nicht zu einem Einsatz?“ Salims Kopf wird so knallrot, wie das Feuerwehrauto und der Schlitten des Weihnachtsmannes zusammen: „Ähm, nicht direkt. Also meine Feuerwehrleute und ich wollten in der Feuerwache gerade anfangen Wichtelgeschenke zu tauschen, als mir siedend heiß einfiel, dass ich noch ein Wichtelgeschenk in der Stadt besorgen muss, damit Feuerwehrfrau Samantha nicht leer ausgeht. Deswegen habe ich die Sirene eingeschaltet und bin schnell losgedüst.“ Leopold fragt ihn: „Hast du nicht ein paar Ersatzreifen dabei, die du an den Schlitten montieren kannst? Von sowas habe ich in dem Buch „Pimp your Schlitten“ gelesen. Dann könnten die Rentiere den Schlitten in die Stadt ziehen und dort kann der Weihnachtsmann nach Flugpulver fragen.“ „Ja, natürlich. Dass ich da nicht selber darauf gekommen bin.“

Salim öffnet die Tür vom Feuerwehrauto, verschwindet darin und man hört von drinnen lautes Gekramse und Gepolter. Dann ruft er: „Leopold, komm doch bitte mal hierher. Kannst du diese Reifen zum Schlitten rollen? „Klar doch. Ich bin ein Meister im Dinge rollen, davon habe ich mal in dem Buch „Wer hat den Käse zum Bahnhof gerollt?“ gelesen und weiß ganz genau, wie das geht.“ Der Weihnachtsmann fragt Salim irritiert: „Sind die nicht ein bisschen zu klein? Die sehen aus, als stammten sie von einer Schubkarre.“ „Um genau zu sein von vier Schubkarren, die sind noch vom Feuerwehrschubkarrenrennfest übriggeblieben. Keine Sorge, sie werden ihren Dienst tun,“ und schon ist Salim aus dem Feuerwehrauto gesprungen und folgt Leopold, der den letzten Reifen ein wenig eierig Richtung Schlitten rollt. Bevor der Weihnachtsmann begreift was geschieht, hat Salim die Reifen bereits mit seinem patentiertem Durchdrehmoment 2000 am Schlitten befestigt und hält dem Weihnachtsmann die Schlittentür auf. Dieser nimmt etwas ungelenk Platz und rückt seine Mütze zurecht. „Vielen Dank für deine Hilfe, Salim. Als Dankeschön bekommst du von mir ein Geschenk.“ Er holt ein orangenes mit einer lila Schleife versehenes Geschenk aus seinem Sack und gibt es Salim. Salim strahlt über das ganze Gesicht, bedankt sich, steigt in sein Feuerwehrauto und braust davon, allerdings diesmal ohne Sirene und Blaulicht.

Der Weihnachtsmann beugt sich zu Leopold hinunter und fragt ihn: „Leopold, hilfst du mir den Weihnachtsabend zu retten?“ Die Rentiere halten die Luft an und warten gespannt auf Leopolds Antwort. „Klar doch, Herr Weihnachtsmann. Rück n Stück.“ Die Rentiere bringen sich in Position und traben langsam an.

Kurz bevor sie losfahren wollen, hören Sie ein Rufen von der anderen Straßenseite. Dort steht schon eine ganze Weile ein älterer Herr, einen Fuß auf seinem silbernen Tretroller gestemmt und die Rollergriffe fest umklammert. Er hat die ganze Prozedur schon eine Weile beobachtet. „Was will der denn?“ murmelt der Weihnachtsmann in seinen Bart. Leopold antwortet leise: „Das ist Monsieur Dijon. Bei dem ist sein Name Programm. Mal hören, was er diesmal will.“ „Wie ich sehe, haben Sie das zugelassene Gesamtgewicht des Schlittens eindeutig überschritten“, beginnt Monsieur Dijon. Der Weihnachtmann krempelt sich langsam die Ärmel hoch und beginnt etwas lauter zu atmen. Die Rentiere werden etwas unruhig und harren der Dinge, die da kommen. „Wie ich sehe, verfügen Sie nicht über ausreichend Schlittenzugkraft.“ Die Rentiere entspannen sich wieder etwas. „Wie ich sehe, ist dies ein Neunzügler und wenn ich richtig gezählt habe, sind nur 8 Rentiere vor diesen Schlitten gespannt. Das ist hierzulande nach der Schlittenverkehrsordnung Paragraph 08 Absatz 15 eine Ordnungswidrigkeit und stellt eine Gefahr für den Straßenverkehr dar. „Desweiteren“ Monsieur Dijon ist dafür bekannt, sich umständlich und sehr penibel auszudrücken. Die Einbecker Stadtreporterin kann davon ein sehr langes Liedchen singen. „Desweiteren sind dies keine Winterreifen. Wie sie sehen, ist selbst mein Tretroller mit der führenden Marke Glitschelin WinterContact RS2 ausgestattet. Nehmen sie sich ein Beispiel an mir und sorgen sie dafür, dass ihr Gefährt straßentauglich wird!“

Der Weihnachtsmann überlegt fieberhaft und auch die Rentiere diskutieren untereinander. Man nennt Leopold nicht umsonst den Leselurch und so hat er schnell eine Lösung parat. Schließlich hat er das Buch „Selbst ist der Weihnachtsmann“ gelesen. Er flüstert dem Weihnachtsmann etwas ins Ohr, der nickt zustimmend und lässt die Zügel knallen. Die Rentiere schnauben und der Schlitten rollt los, nicht ohne ein markerschütterndes Quietschen von hinten links ertönen zu lassen. Einer der Schubkarrenreifen war wohl doch etwas eingerostet. Sie sehen noch, wie Monsieur Dijon wild gestikuliert und verschwinden hinter der nächsten Kurve. Wir werden Monsieur Dijon sicherlich nicht das letzte Mal begegnet sein.

Leopold dirigiert den Weihnachtsmann zu einem Gebäude an dem auf der Außenfassade eine riesige Flasche sichtbar ist. „Leopold, ich verstehe nicht ganz, was wir hier sollen. Ich glaube nicht, dass die hier Flugpulver haben!“ sagt der Weihnachtsmann. Die Rentierherde ächzt vor Anstrengung. Normalerweise macht es ihnen nichts aus, nur zu acht zu sein, aber der Schlitten lässt sich auf Rollen viel schwerer ziehen und auf Schnee zu laufen ist auch viel anstrengender. Und das nur, weil möglicherweise jemand einen Hauch zu wenig Flugpulver… Der Weihnachtsmann zieht an den Zügeln und der Schlitten kommt langsam zum Stehen. Leopold springt aus dem Schlitten und ruft dem Weihnachtsmann zu: „Herr Weihnachtsmann warte hier, ich mach‘ das schon!“ Die Rentiere vertreten sich ein wenig die Beine und unterhalten sich.

„Das war ja mal ein Ritt!“

„Meinste der kommt wieder?“

„Was hat der denn jetzt wieder vor?“

„Ich spüre meine Beine kaum noch!“

„Sind wir bald da?“

Kurze Stille.

„Schuldigung.“

Nach einigen Minuten kommt Leopold wieder aus dem Gebäude. Hinter ihm trottet ein Widderbock gemächlich her. „Das hier ist Maik U. Bock. Er ist dazu bereit, uns zu helfen, den Schlitten zu ziehen. Wir kennen uns vom Sommerleseclub der Stadtbibliothek. Nicht wundern, Maik redet nicht viel, hat aber sehr kluge Gedanken, die er für sich behält. Nicht wahr, Maik?“ Maik steht teilnahmslos daneben und kaut an einem Grashalm, den er die ganze Zeit im Maul hin und her schiebt und hat viele kluge Gedanken. „Leopold, das ist eine Spitzenidee, wenn wir dich nicht hätten!“ ruft der Weihnachtsmann aus und beginnt damit, Maik an der Poleposition anzuschirren.

„So ein schönes Rentier habe ich noch nie gesehen.“

„Und er riecht so gut.“

„Ich darf hinter ihm laufen.“

„Er ist so klug.“

„Er ist einfach unwiderstehlich.“

Die Rentiere sind ganz außer sich vor Begeisterung und reden wild durcheinander. Ihnen scheint entgangen zu sein, dass Maik gar kein Rentier, sondern ein Widderbock ist. Lassen wir ihnen die Illusion und machen uns mit widderbockverstärkten Rentierkräften auf den Weg in die Innenstadt. Irgendwo wird es bestimmt jemanden geben, der ihnen weiterhelfen kann.

„Leopold, schau mal, da bei der Kirche steht ein riesiger Kerl, den können wir doch um Rat fragen.“ Der Weihnachtsmann ist ganz begeistert und lenkt den Schlitten Richtung Marktplatz. Leopold versucht dem Weihnachtsmann auf der Fahrt dorthin klar zu machen, dass diese Idee einen gewissen Haken hat. Leider überhören Erwachsene gern kleine Leute und unser Leselurch wartet erstmal still ab, was passieren wird. Der zuvor stark beschleunigte Schlitten wird immer langsamer und der Weihnachtsmann sieht ein bisschen kleinlaut drein, als er erkennt, wen oder besser was er da um Rat fragen wollte. Das Gespann hält vor einem Brunnen und der riesige Kerl entpuppt sich als steinerne Till Eulenspiegel-Figur, die leider wenig hilfreich wirkt.

„Da hat sich ja jemand gründlich vergaloppiert!“

„Hätte ja mal auf den kleinen Lurch hören sollen.“

„Vielleicht mal wieder ein Buch lesen und nicht ständig N-ordpol-TV schauen!“

Die Rentiere sind ein wenig aufgebracht. Der einzige, der weiter entspannt ist, ist der kauende und denkende Maik.

„Lieber Leopold, es tut mir sehr leid. Ich wollte dich nicht übergehen und habe es doch getan. Das wird mir bestimmt nicht noch einmal passieren. Kannst du einem alten Weihnachtsmann nochmal verzeihen?“ spricht der Weihnachtsmann und blickt Leopold traurig an. „Klar doch, wie ich aus „Die Milch und Kekse-Diät – Schlank in 24 Stunden“ weiß, seid ihr Erwachsenen manchmal nicht ihr, wenn ihr hungrig seid und ich habe dich, seit wir zusammen unterwegs sind, noch nichts essen sehen,“ grinst Leopold und der Weihnachtsmann atmet hörbar erleichtert auf.

„Was machen sie denn schon wieder hier?“ Wir hatten uns ja schon gedacht, dass Monsieur Dijon irgendwann noch einmal seinen Senf zu unserem Abenteuer dazugeben würde. „Wie ich sehe, haben sie zumindest das Problem mit dem fehlenden Renti…“ Monsieur Dijon stutzt und starrt auf den denkenden Maik, sagt aber nichts weiter. „Wie ich sehe, haben sie aber immer noch viel zu kleine Reifen. Die halten nie und nimmer einen makellosen Landeanflug aus. Da ist der nächste Bruch vorprogrammiert.“ Die Rentierherde wird etwas unruhig. Man macht sich dort lautstark Sorgen um die möglicherweise umsonst eingezahlten Beiträge in die Rentierrentenkasse. „Heidewitzka, das ist in der Tat ein Problem,“ sagt der Weihnachtsmann! und sieht fragend von einem Rentier zum anderen. Dann fällt ihm auf, dass Maik seit einer kurzen Weile nicht mehr an seinem Grashalm kaut. Plötzlich fängt Maik an zu sprechen und sagt: „Ein Wunschbrunnen, ist ein Wunschbrunnen, ist ein Wunschbrunnen.“ Nachdem er geendet hat beginnt er wieder zu kauen.

Leopold haut sich mit der Hand vor die Stirn und ruft: „Na, klar. Davon stand doch etwas in „Erfolgreich wünschen – 3 Regeln wie Träume wahr werden.“ „Hat jemand eine Münze für mich oder etwas Ähnliches?“ Monsieur Dijon hält die Geldbörse in seiner Tasche ein wenig fester umklammert und schüttelt mit dem Kopf. „Mein Portemonnaie liegt zuhause auf dem Küchentisch. Meine Frau Santa Maria wollte noch einkaufen. Am Heiligen Abend brauche ich sonst nie Geld.“ sagt der Weihnachtsmann. „Vielleicht tut’s ja auch ein Knopf!“ Gesagt getan. Schon hat er einen großen Knopf von seinem Mantel abgerissen und gibt ihn Leopold. Dieser kehrt Till Eulenspiegel den Rücken zu und wirft den Knopf über seine Schulter in den Brunnen. Er verzieht sein Gesicht vor Anstrengung und wünscht, was das Zeug hält.

Monsieur Dijon schüttelt mit dem Kopf und will gerade durch eine kleine Seitengasse verschwinden, als sein Roller trotz Glitschelin-Bereifung ins Schlingern gerät und er sich fast auf die Nase legt. Aus den Rentierreihen hört man leises Kichern. Als Monsieur Dijon sich umdreht und noch einmal strafend zu den Rentieren schaut, verstummen sie sofort. Eines von ihnen muss etwas verloren haben, weil sie den verschneiten Boden sehr gründlich betrachten. „Heureka. Ich habe es. Wir müssen zu Herrn Polo, der weiß, bestimmt Rat. Auf zum Stadtmuseum!“, ruft Leopold und hat im Schlitten Platz genommen. Schon hält er die Zügel in der Hand, als ihn der Weihnachtsmann anlächelt und sie ihm sanft aus den Händen nimmt. Rentiere und der Widder traben an und wenige Minuten später halten sie auch schon vor dem Museum.

Ihr könnt euch ja sicherlich vorstellen, dass 8 Rentiere, 4 Schubkarrenreifen, davon 1 sehr quietschendes, 1 Widderbock, 1 Weihnachtsmann und 1 Lurch nicht gerade leise sind und so wird Herr Polo auf die lustige Schar aufmerksam und tritt vor die Museumstür: „Oh, hallo Leopold. Was machst du denn hier? Warum sitzt du beim Weihnachtsmann im Schlitten. Zugegebenermaßen einem sehr ungewöhnlichen. Au Backe. Was ist denn mit den Kufen passiert?“ Leopold erklärt ihm die Situation und ihre Notlage. „Wenn es nur das ist. Ich habe noch einige Fahrradreifen, die sollten zum Starten und Landen geeignet sein. Wenn ihr möchtet, kann ich sie euch sofort montieren. Weihnachtsmann und Leselurch nicken eifrig.

„Geht schon mal ins Museum. Da könnt ihr euch etwas aufwärmen. Ich fang hier draußen schon mal an zu werkeln. Und Leopold!“ Leopold, der gerade hinter der Tür verschwinden will, dreht sich noch einmal zu Herrn Polo um, „Nichts anfassen!“ „Klar doch. Würde ich nie!“ „Na dann ist ja gut.“ murmelt Herr Polo und macht sich ans Werk.

Im Museum ist es schön warm und vorne im Eingangsbereich steht ein großer Stein. Auf einem Schild steht „Stein von Odagsen (heilig)“ unter darunter „Nicht anfassen!“. Leopold ist total beeindruckt und merkt erst jetzt, wie müde er eigentlich ist. Der Weihnachtsmann schaut sich ein paar Ausstellungsstücke in den Vitrinen an und achtet nicht mehr auf den Leselurch. Leopolds Augen werden immer kleiner und der Stein sieht furchtbar gemütlich aus. Ihr müsst wissen, dass Leselurche besonders gern auf, an und neben großen Steinen schlafen. Leopold kann gar nichts dafür, das ist nun mal seine Art. 

Einige Augenblicke später ertönt ein schriller Alarm. Der Weihnachtsmann zuckt zusammen und stürmt zurück zum Stein. Bevor er etwas sagen kann, saust auch schon Herr Polo ins Museum und hat so eine Ahnung, wer den Alarm ausgelöst haben könnte und schaltet ihn aus. Er sieht gerade noch, wie ein Lurchschwanz blitzschnell hinter dem Stein verschwindet. „LEOPOLD, du Schlingel. Du kennst doch den Museumsspruch: „Das Berühren der Figüren..!“ sie beenden den Satz gemeinsam „mit den Pfoten ist verboten!“ Dabei schaut Leopold schuldbewusst hinter dem Stein hervor und entschuldigt sich kleinlaut bei Herrn Polo, der brummt: „Schon gut, ist ja nichts passiert. Euer Schlitten ist fertig, ihr könnt also starten. Fragt doch mal im P.S. Speicher nach. Vielleicht können die euch bei der Suche nach Flugpulver helfen. Der Weihnachtsmann schüttelt Herrn Polo kräftig die Hand und überreicht ihm ein Dankeschön Geschenk. Daraufhin verlassen er und Leopold das Museum und besteigen den frisch bereiften Schlitten und fahren Richtung PS. Speicher.

Herr Polo gähnt und lehnt sich versehentlich an den Odagsener Stein. Kaum geschehen schrillt schon wieder der ohrenbetäubende Alarm durch das ganze Gebäude. Hat ja zum Glück keiner gehört, denkt Herr Polo und schaltet den Alarm wieder aus.

„Sind wir bald da?“

„Ich mag nicht mehr laufen. Ich will lieber fliegen!“

„Wie weit ist es denn noch?“

„Ich habe kein Bock mehr!“

Maik unterbricht kurz sein Kauen.

„Ruhig, meine Lieben. Wenn wir beim PS. Speicher angekommen sind, bekommt ihr eine kleine Verschnaufpause.“ Der Weihnachtsmann versucht die Rentiere bei Laune zu halten. „Was haltet ihr davon, wenn wir gemeinsam ein Weihnachtslied singen?“ fragt er. Es herrscht einstimmiges Schweigen. Leopold will die Frage gerade beantworten, als er bemerkt, dass sich der Schlitten nun deutlich schneller fortbewegt als noch vor wenigen Minuten. Er überlegt kurz und beginnt breit zu grinsen.

Kurze Zeit später erreichen Sie den PS. Speicher. Die Rentiere sind zwar ziemlich außer Puste und ordentlich am Japsen wirken aber trotzdem irgendwie erleichtert. Die Ankunft des Gespanns ist nicht unbemerkt geblieben und sorgt für Aufsehen. Ein kleiner, älterer Herr kommt aus dem Gebäude und beginnt den Schlitten aufgeregt zu umrunden: „Ich glaube es nicht, dass ich das noch erleben darf. Ist das etwa...? Ich kann es nicht fassen. Ein originalgetreuer 9-zügliger Lamborschlitti RG Gti in knallrot metallic. Mit elektronischer Wegfliegsperre, doppelt verchromten Rußpartikelfilter und Notfall Flux Generator. Mit 9 Rentierstärken. Nein, Moment mal. 8 Rentier- und einer Widderstärke wie ungewöhnlich, einzigartig, phänomenal. Der kleine Mann wirft sich vor dem Schlitten auf die Knie und ist völlig aus dem Häuschen. „Von diesem Modell wurden weltweit nur 2 hergestellt. Ein Modell steht bei einem Sammler am Südpol.“ Der Weihnachtsmann und Leopold haben währenddessen irritierte Blicke getauscht. „Allerdings ist mir nicht bekannt, dass dieses Modell statt Kufen Fahrradreifen hat. Momentan mal? Ist dies etwa eine Fälschung.“ Er steht wieder auf und blickt den Weihnachtsmann fragend an. „Nein, nein, Herr?“ „Borgward“ „Herr Borgward, dies ist ein Original. Leider mussten einige Veränderungen vorgenommen werden, weil wir einen kleinen Unfall hatten.“

Er erzählt Herrn Borgward was passiert ist. Während seines Berichts wechselt Herr Borgward Gesichtsfarbe zwischen kalkweiß und knallrot hin und her. Nachdem der Weihnachtsmann geendet hat, normalisiert sich Herrn Borgwards Gesichtsfarbe wieder und wird leicht rosig, als er fragt: „Ihr braucht also Flugpulver? Ist es grün?“ Alle Anwesenden schütteln mit dem Kopf. „Blau?“ Wieder Kopfschütteln. „Rot?“ Erneutes Schütteln. „Mhm, gold?“ Die Köpfe nicken aufgeregt. Eines der Rentiere hat sich kurz vertan und geschüttelt, nickt nun aber auch zustimmend mit dem Kopf. „Dem Weihnachtsmanne kann geholfen werden. Wenn ich mich recht erinnere, steht bei uns im Depot noch ein BMSchnee und ich meine dort im Tank noch etwas Pulver gesehen zu haben,“ sagt Herr Borgward und fragt Leopold: „Kommst du mit? Dann schauen wir mal nach.“ Leopold ist sofort einverstanden und auch der Weihnachtsmann ist natürlich viel zu gespannt, um beim Lamborschlitti zu warten.

Was soll ich sagen? Herr Borgward öffnet den Tank des BMSchnees und darin befindet sich tatsächlich noch eine Menge goldenden Flugstaubs. Leopold ist klein genug, um in den Tank gelassen zu werden und den Staub mit Hilfe eines Schlauches abzusaugen. Damit Leopold währenddessen nicht durch den Raum fliegt, trägt er einen Staubabfangapparat vor dem Gesicht. Nachdem auch das klitzekleinste Staubkorn aufgesaugt wurde, kann der Lamborschlitti nun endlich mit neuem Flugpulver betankt werden. Die Rentiere schnauben vor Freude, weil die Lauferei gleich ein Ende haben wird und der Weihnachtsmann endlich das Verteilen der Geschenke fortsetzen kann. Rudolph bekommt bestimmt wieder eine rote Nase, wenn sie ihm von ihrem Abenteuer berichten. Herr Borgward lässt sich zum Dank noch schnell mit dem Lamborschlitti fotografieren und plant in Gedanken seine nächste Urlaubsreise zum Südpol.

Während der Schlitten über der Stadt fliegt, fragt der Weihnachtsmann den Leselurch: „Lieber Leopold, es war mir ein großes Vergnügen mit dir gemeinsam dieses Abenteuer zu erleben. Du warst mir ein großartiger Gehilfe und wenn du möchtest, können wir noch zusammen die Geschenke verteilen.“ Leopold winkt ab und sagt: „Vielen Dank. Herr Weihnachtsmann, aber für heute hatte ich genug Abenteuer.“ Er hat ein wenig Angst, dass es vielleicht doch ein Hauch zu wenig Flugpulver ist und sagt, daher: „Wenn du magst, kannst du mich gern auf dem Dach der Bibliothek absetzen. Dann kann ich mir noch ein Buch ausleihen. Ich denke, ich werde als nächstes „101 Dinge, die du getan haben solltest, bevor Weihnachten vorbei ist“ lesen. 

Also setzt der Weihnachtsmann Leopold an der Bibliothek ab und dieser winkt noch so lange, bis er das Gespann nur noch als kleinen Punkt am Himmel erkennen kann. Und der Weihnachtsmann? Der ist glücklich und zufrieden, als er plötzlich ausruft: „Ach du grüne Neune. Wir müssen ja noch den Maik zurückbringen.“ Die Rentiere reden wild durcheinander. Maik brummt: „Mist!“

Der Leopold-Weihnachtscomic